Anträge & Anfragen

Antrag der Fraktionen CDU, FREIE WÄHLER, WGS, FDP: Verknüpfung der Gewährung von Mitteln nach dem Städtebauförderungsgesetz und von anderen Fördermitteln mit dem Niveau der sog. Nivellierungssätze nach dem LFAG

Beschlussentwurf:

Die Fraktionen CDU, FREIE WÄHLER, WGS, FDP beantragen, der Rat beschließt die Beauftragung eines Rechtsgutachtens mit den folgenden Fragestellungen:

Es ist zu klären, ob bzw. in welchem Maße die im LFAG RP vom 7.12.2022 normierten Nivellierungssätze (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 bis 3) für die Gewährung von Finanzmitteln nach dem Städtebaufördergesetz oder von anderen Fördermitteln maßgeblich sein dürfen. Deshalb beschließt der Stadtrat, dass die Verwaltung ein Rechtsgutachten beauftragt zu folgenden Fragen:

  1. Ist es rechtmäßig, die im LFAG normierten Nivellierungssätze auch für die Gewährung von Finanzmitteln der Städtebauförderung oder von anderen Fördermitteln zugrunde zu legen?
    Zu betrachten ist insbesondere, aber nicht abschließend, die Vereinbarkeit mit den Rechten der Kommunen aus dem Grundgesetz, aus der Landesverfassung und aus der Gemeindeordnung – insbesondere mit der Finanzhoheit der Gemeinde und der Finanzierungshierarchie nach § 94 GemO – sowie mit der von dem Gesetzgeber des LFAG RP 2023 respektierten Steuererhebungsautonomie.
  2. Darf die Gewährung von Finanzmitteln der Städtebauförderung überhaupt abhängig gemacht werden von Bedingungen, die nicht in diesem Regelwerk formuliert sind, insbesondere von der Finanzausstattung einer Gemeinde oder von dem Erheben von Realsteuern mit bestimmten Hebesätzen durch die Gemeinde?
  3. Wenn das von der Landesregierung angekündigte Verfahren rechtmäßig sein sollte:
    • Kann es zur Voraussetzung für Städtebaufördermittel gemacht werden, dass der örtliche Hebesatz jeder einzelnen genannten Realsteuer den in § 17 Abs. 2 LFAG genannten Nivellierungssatz erreicht, oder genügt es, wenn der Saldo der bisherigen/erwartbaren Einnahmen aus diesen drei Quellen (Grundsteuern A und B sowie Gewerbesteuer) den Saldo der Einnahmen bei Anwendung der Nivellierungssätze übersteigt?
    • Ist eine Sanktionierung des Unterschreitens von Nivellierungssätzen nach dem LFAG RP 2023 durch Nichtgewähren von Mitteln der Städtebauförderung und anderen Gesetzen beschränkt auf einen gleichen Umfang, zumindest auf ein angemessenes Verhältnis zu den durch das Unterschreiten von Nivellierungssätzen nicht erzielten Einnahmen?

Das Gutachten soll von einer Person mit Expertise auf dem Gebiet des öffentlichen Finanzrechts, bevorzugt aus dem rechtswissenschaftlichen Lehrbetrieb, erstellt und vor den Beratungen des städtischen Haushalts 2024 durch die Fraktionen im Herbst 2023 vorliegen.

Als Gutachter schlagen wir vor, vorrangig anzufragen:

– Professor Dr. Steffen Lampert, Universität Osnabrück, Martinistraße 8, 49078 Osnabrück

– alternativ: Prof. Dr. Henning Tappe, Universität Trier, Fachbereich V, 54286 Trier

Begründung:

Es ist die bereits konkretisierte Absicht der Landesregierung bekannt geworden, dass ein Ausschöpfen von Einnahmequellen im Sinne von Art. 94 GemO RP als Voraussetzung finanzieller Fördermittel dann verneint wird, wenn die tatsächlichen Hebesätze der Realsteuern unter den Sätzen liegen, die als Nivellierungssätze im LFAG festgelegt sind. Kurz: wenn die Nivellierungssätze in einer Gemeinde nicht erreicht werden, droht der Verlust von Fördermitteln in Gänze oder in Teilen.

Diese Koppelung von staatlichen Fördermitteln für Gemeinden erscheint nicht rechtmäßig zu sein.

Mit dem zu beauftragenden Rechtsgutachten soll eine klare Ausgangsposition für die eigenen Haushaltsberatungen im Herbst 2023, aber auch für eventuelle Gespräche mit der Landesregierung, mit Fördergebern oder gar mit anderen Kommunen geschaffen werden.

Zudem ermöglicht ein solches Gutachten zügige Reaktionen auf drohende Nachteile für die Stadt Koblenz bzw. auf Forderungen oder auch nur mittelbaren Druck der Landesregierung zur Anhebung von Realsteuern.

Dem Antrag liegen also zwei zentrale Regelungsbereiche für die kommunalen Finanzen zugrunde:

1.

Das Landesgesetz zur Neubildung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften, kurze Landesfinanzausgleichsgesetz, LFAG, ist zum 01.01.2023 neu in Kraft getreten. Dieses Gesetz regelt Finanzzuweisungen an die Kommunen in dem sogenannten kommunalen Finanzausgleich.

  • Die dafür verfügbare Finanzausgleichsmasse setzt sich zusammen aus Mitteln für die Mindestfinanzausstattung und aus Aufkommen aus der Finanzausgleichsumlage.
  • Diese Finanzausgleichsmasse wird dann aufgeteilt auf die allgemeinen Finanzzuweisungen und auf die zweckgebundenen Finanzzuweisungen.
  • Die allgemeinen Finanzzuweisungen sind insbesondere die Schlüsselzuweisungen A und Schlüsselzuweisungen B.
  • Für die Schlüsselzuweisungen ist eine je Einwohner errechnete Steuerkraftmesszahl relevant. Diese Steuerkraftmesszahl beruht auf Steuerkraftzahlen: Das sind die bekannten Hebesätze bei der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer.

Die Schlüsselmasse wird also nach dem Schlüssel der mangelnden Steuerkraft verteilt. Bleiben Steuerkraftzahlen, also die Hebesätze, einer Kommune gegenüber den normierten Nivellierungssätzen zurück, wird die jeweilige Gemeinde dennoch so behandelt, als würde sie die im Gesetz genannten Hebesätze erheben. Ihr werden also Einnahmen zugerechnet, die sie in der Realität nicht erhebt. Aber die Gemeinde wird vom Staat nicht gezwungen, die Lücke der von ihr angewendeten Steuersätze durch Anhebung auf das normierte Niveau zu schließen. Der Staat respektiert ihre Steuererhebungsautonomie.

Übrigens werden auch höhere tatsächliche Sätze der Gemeinde im Finanzausgleich nicht nachteilig angerechnet, führen also nicht zu einer Reduzierung von Schlüsselzuweisungen.

2.

Die öffentlichen Fördermittel, staatliche Subventionen, mit dem wohl größten Gewicht sind jene der Städtebauförderung. Mittel der Städtebauförderung beruhten auf dem Städtebauförderungsgesetz von 1971. Dieses wurde 1987 in dem erneuerten Baugesetzbuch zusammengefasst.
Sie sind heute auf der Grundlage von Art. 104 b GG in den §§ 164a und b BauGB geregelt.

Konkretisiert wird die Gewährung von Finanzhilfen durch eine in § 164 b BauGB genannte Verwaltungsvereinbarung und Richtlinien. Diese müssen sich aber im Rahmen der Gesetze halten!

Weiterhin trägt der Bund ein Drittel von Maßnahmen der Städtebauförderung (Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen), ein Drittel soll in der Regel das Land übernehmen, sodass noch ein Drittel bei der jeweiligen Gemeinde verbleibt.

Diese Grundlagen, auch die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern, macht für eine Förderung aber NICHT zur Voraussetzung, dass eine Gemeinde bestimmte Hebesätze erhebt: Die in diesen Grundlagen genannten zu fördernden Sachzwecke sind nicht von einer Finanzausstattung einer Gemeinde abhängig gemacht.

3.

Wenn nun das Land mögliche Fördermittel der Städtebauförderung oder nach anderen Gesetzen ganz oder teilweise versagt, weil eine Gemeinde bei ihren Realsteuern unter den Nivellierungssätzen des LFAG 2023 bleibt, dann wird dieses Unterschreiten mehrfach nachteilig berücksichtigt:

  • nicht nur bei der Bemessung der allgemeinen Finanzausstattung der Gemeinde im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, sondern auch bei der Gewährung von Fördermitteln.
  • Soweit EINE Förderung in Rede steht, käme es zu einer doppelten Benachteiligung oder Sanktionierung; soweit mehrere Förderungen im Raume stehen, käme es zu einer Vervielfachung der Benachteiligung.

Diese Verdoppelung oder Vervielfachung der Benachteiligung lässt sich unter dem Blickwinkel der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gemeinden nicht rechtfertigen, anders als die ursprüngliche Benachteiligung bei einem Nichterreichen der normierten Steuersätze im Rahmen der Verteilung der Schlüsselmasse.

4.

Im Ergebnis würde die vom Finanzausgleichsgesetzgeber der Gemeinde hinsichtlich der Festlegung der Steuersätze bewusst eingeräumte Steuererhebungsautonomie beseitigt, da der Druck auf die Gemeinde, die normierten Steuersätze anzuwenden, unausweichlich wäre. Die ministeriellen Förderrichtlinien, die die Nivellierungssätze des LFAG hinsichtlich Grundsteuern und Gewerbesteuer auch für die Gewährung von Städtebaufördermitteln und anderen Fördermitteln anwendeten, würden sich in einen unauflöslichen, verfassungsrelevanten Widerspruch zur Entscheidung des Finanzausgleichsgesetzgebers setzen.

5.

Zudem muss eine Saldierung von Realsteuersätzen berücksichtigt werden. In Koblenz liegt der Hebesatz der Gewerbesteuer mit 420 um 40 Punkte über dem Nivellierungssatz, die deutlich ertragsschwächere Grundsteuer B liegt mit einem Hebesatz von 420 um 45 Punkte unter dem seit 1.1.2023 geltenden Nivellierungssatz von 465.

6.

Schließlich, und ebenfalls entscheidend: Die Grundlagen des Städtebauförderrechts in der Bundesrepublik treffen keine Aussage, dass eine Versagung oder Kürzung von Fördermitteln von der Finanzausstattung einer Gemeinde, gar von dem Erheben bestimmter Realsteuern abhängig gemacht werden dürfe. Trifft der mit einem Fördergesetz verfolgte Sachzweck auf eine Gemeinde zu, kann sie schon aus Gründen der Gleichbehandlung eine Förderung beanspruchen. Eine unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit darf nur dann eine Rolle spielen, wenn sie ausnahmsweise im gesetzgeberischen Programm angelegt wäre. Genau dem entspricht zum Beispiel die Gewährung der „zweckgebundenen“ Finanzzuweisungen nach § 25 LFAG RP: Hier spielt die stärkere oder weniger starke Ausschöpfung eigener Steuerquellen keine Rolle.

Dann aber muss es einer Landesregierung verwehrt sein, Förderbedingungen außerhalb des Sachzusammenhangs zu formulieren.

7.

Auch muss berücksichtigt werden, dass die Finanzierungshierarchie in § 94 GemO RP die Realsteuern als letztes Finanzierungsmittel für eine Kommune sieht. Diese bewusste Ausgestaltung der Finanzhoheit der Gemeinden ist verbindliches Haushaltsrecht mit Vorrang gegenüber dem einfachen Verwaltungshandeln mittels Richtlinien.

8.

Berührt sind damit die Rechte einer Gemeinde aus Art. 28 Grundgesetz und aus Art. 49 der Landesverfassung RP, aber auch einfachgesetzliche Rechte der Kommunen, insbesondere die Ausgestaltung der Finanzausstattungsansprüche der Gemeinden in § 3 Abs. 1 GemO RP.